Kalte und schöne deutsche Meisterschaften der Leichtathletik-Senioren

Erding – Es war schön, aber auch sehr kalt: Ein voller Erfolg waren die deutschen Meisterschaften der Leichtathletik-Senioren am letzten Wochenende im Erdinger Sepp-Brenninger-Stadion.

Auch wenn am Wochenende das Oktoberfest in München ganz oben auf der Interessenliste in der Öffentlichkeit stand – in Erding waren es zweifelsohne die deutschen Titelkämpfe der Senioren mit den jüngsten Athleten ab 35 Jahren bis hin zum ältesten Starter mit stattlichen und gar rüstigen 91 Jahren vertreten durch Josef Riedl vom TuS Bad Aibling der bei den M90-Senioren Doppel-Meister im Kugelstoßen und Diskuswurf wurde. Über das Wetter wird eigentlich nicht gesprochen, aber diese Titelkämpfe waren in der Geschichte wohl die kältesten ihrer Art, denn am Samstag herrschten Temperaturen um knapp zehn Grad Celsius und am Sonntag waren es nur knapp „windgarnierte“ neun Grad bittere Kälte. Noch oben drauf gab es zahlreiche Schauer und der Sonntag war sogar überwiegend nass noch oben drauf. Der Erdinger Top-Funktionär Jochen Schweitzer, Vize-Präsident Finanzen beim DLV: „Mei das mit dem Wetter wäre natürlich gut, wenn es zumindest trocken bleibt“, sagte er noch zu Beginn der Titelkämpfe am Samstag, doch später regnete es dennoch.

Federführend war bei diesem Top-Ereignis in gewohnter Manier die Leichtathletik-Abteilung des TSV Erding und damit auch mit Kerstin und Christian Weber an der Spitze der Organisation. Als überaus erfahrene Veranstalter lag es fast sicher auf der Hand, dass die „Leichtathletik-Macher“ wieder eine perfekte Meisterschaft präsentieren würden. Und ja: Das Lob von allen Seiten war dem gesamten Abteilungsteam des TSV auch am Wochenende wieder sicher. Christian Weber verriet: „Ja, wir haben natürlich die Erfahrung mit der Organisation von so großen Titelkämpfen, aber für uns wird dieses Ereignis eine Einmaligkeit bleiben“. So sei es nicht das große Problem gewesen so eine Veranstaltung nach großen bayerischen Meisterschaften in den letzten Jahren zu einem perfekten Projekt werden zu lassen, aber „ich möchte eigentlich noch zu Hause auch der Hausherr sein“. Damit meinte der Erdinger, dass es bei einer Durchführung einer nationalen Meisterschaft einfach komplizierter sei „alleine“ Entscheidungen zu treffen, zumal mehr Stellen wie der Deutsche Leichtathletik-Verband (DLV) Forderungen und Maßnahmen haben wollten. Deshalb sei es zwar rundum gut gelaufen, aber eben ein wenig komplexer und deshalb „bremsender“ als normal. „Wir haben natürlich als Verein wieder alle unsere Mitglieder zum helfen und kampfrichtern verpflichten können und wir sind natürlich sehr stolz darauf, dass viele ehemalige Mitglieder uns unterstützt haben“, so Weber zufrieden. „Wir freuen uns deshalb über eine tolle Team-Leistung, wo jeder einzelne wirklich wertvolle Dienste leistete“. Im Vorfeld konnte sich Christian Weber nahezu „traditionell“ auf die vielen Kampfrichter aus den eigenen Reihen freuen – aber auch auf die vielen Funktionäre aus dem südostbayerischen Raum. Auch aus dem Bundesgebiet kamen Kampfrichter zum Einsatz und „das ist dann eben manchmal ein wenig schwer, wenn auch von den höchsten Stellen zusätzlich Forderungen kommen oder gar externe Kräfte fast neu in ihre Aufgaben vor Ort in Erding erst eingeführt werden müssen“, weiß Weber. Als Leichtathletik-Familie waren „die Webers“ übrigens an allen Stellen im Stadion anzutreffen: Christian und Kerstin Weber waren mal wieder wie „Hausmeister“ und damit die Kompetenzen die überall dort Hand anlegten wo Fragen zu beantworten waren, schnelle und unkomplizierte Hilfe auszuführen war und einfach „Not am Mann“ war. Ihre Kinder lauerten auch an allen Wettkampfstätten mit ihren helfenden Einsätzen: Beim Messen, Kampfrichtern und Daten registrieren war Evi Weber beim Speerwurf, Tim Weber beim Hammerwurf und Lilli Weber am Weit-und Dreisprung. Nina Weber koordinierte das Geschehen hingegen bei allen Siegerehrungen. „Ab 7 Uhr morgens waren wir am Platz und dies ging jetzt nun täglich bis nach 20 Uhr“, erzählte Christian Weber der mit einer großen Mannschaft bereits am Freitag von früh bis nachts die Anlagen aufgebaut hatte. „Und auch die Nachbearbeitung beim Aufräumen wird in den nächsten Tagen auch nicht weniger aufwendig“.

Echte Erdinger Landkreis-Athleten waren bei diesem Großereignis diesmal nicht am Start. Das Fähnchen der regionalen Leichtathletik hielt dennoch einer Athlet ganz weit nach oben: Der Lehrer Dieter Heimstädt vom Erdinger Anne-Frank-Gymnasium feierte bei diesen Titelkämpfen zweifelsohne gleich zwei klangvolle Erfolge. Bereits am ersten Meisterschaftstag eroberte er im Trikot der LAG Mittlere Isar völlig unerwartet die Goldmedaille im Weitsprung der Männer M50. Bereits am frühen Morgen absolvierte er ab 9 Uhr seinen Wettkampf und landete im Finale bei ausgezeichneten 5,54 Meter. Bis zum letzten Sprung musste der 51-Jährige zwar zittern, aber am Ende strahlte der ehrgeizige Athlet über das ganze Gesicht. Als neuer und völlig überraschender deutscher Meister verwies er Thomas Müller von der TSG Markkleeberg mit 5,46 Meter und Harald Köhler vom TSV Ipsheim mit 5,34 Meter (3.) auf die weiteren Plätze. „Damit hatte ich wirklich überhaupt nicht gerechnet“, freute sich Heimstädt der sein Glück nicht fassen konnte, denn noch vor drei Wochen hatte „ich eine leichte Zerrung am Oberschenkel und da war noch gar nichts klar, dass ich überhaupt in Erding starte“. Vor wenigen Tagen absolvierte er allerdings noch ein gutes Abschlusstraining im Weitsprung: „Ja, das hat irgendwie ganz gut geklappt, deshalb habe ich in dieser Disziplin wieder an mich geglaubt, doch Gold stand nie im Visier“, so der 51-Jährige der eine Medaille anpeilen wollte. „Für mich schließt sich in Erding wieder ein gewisser Kreis, denn bereits im Jahr 2003 war ich hier erstmals bei einer DM am Start“, weiß Heimstädt. Damals gewann er bei den deutschen Fünfkampf-Meisterschaften die Team-Bronzemedaille. Im Zuge seiner Verletzung und des kalten Wetters verzichtete der erfahrene Athlet diesmal auf seine beiden weiteren Starts über 100 und 200 Meter. „Da wären zwar Spitzenplätze drin gewesen, aber für eine Medaille wäre es schon eng geworden“, erzählte der vielseitige Athlet. „Das bin eigentlich nicht ich, dass ich bei einer DM melde und dann nicht starte, aber im Alter wird man wohl auch ein wenig vernünftiger“, schmunzelte der Routinier. Am Sonntag wollte er noch seinen Titel über 100 Meter Hürden der Männer M50 verteidigen. Nach einem eisernen Kampf spurtete er mit beachtlichen 15,42 Sekunden zum Vize-Titel und zeigte sich dennoch sehr zufrieden. Nicht zu schlagen war hier der gebürtige US-Amerikaner Gene Allen vom schwäbischen TV Dietenhofen mit 14,84 Sekunden. Kurioserweise durfte dieser Athlet in Erding starten, zumal er noch nie international für seinen Kontinent gestartet war. Bei den bayerischen Titelkämpfen wurde er im Gegensatz wegen seiner Staatszugehörigkeit nicht gewertet – ein Beweis, dass nach wie vor Regeln auf nationaler Ebene anders sind als im Freistaat. Nichts desto trotz freute sich Dieter Heimstädt auch über Silber: „In Anbetracht des Wetters, der Nässe und der Kälte bin ich mit der Leistung aber wirklich sehr zufrieden und mein Gegner war auch zweifelsohne der Favorit“, äußerte sich der Freisinger äußerst fair.

Schöne und faire Gesten gab es bei diesen Titelkämpfen „am laufenden Band“. Viele der Altersklasse-Athleten aus dem Bundesgebiet kennen sich bereits seit Jahrzehnten, deshalb steht die Anerkennung des Gegners ganz oben auf der Liste vieler Sportler. So waren nicht nur die Siegerehrungen enorm familiär und freundschaftlich, sondern auch die Gesten und Glückwünsche nach den Wettkämpfen im Ziel und an den diversen Wurf- und Sprunganlagen rund um das Stadion. Die Kameradschaft prägte aber nicht nur die Wettkämpfe – auch der Ehrgeiz an guten Leistungen war enorm hoch. Der bereits 86-jährige Ulrich Richter vom TSV Unterhaching gewann zwei Silbermedaillen im Hammer- und Diskuswurf – und verriet: „So eine Medaille ist natürlich schön, aber nur gewinnen ist zu wenig, denn auch die Leistung muss passen und erst dann sind wir Senioren zufrieden“. Trotz der kalten Witterung gab es in Erding viele persönliche Erfolge, Landesrekorde und auch deutsche Rekorde neben fast unendlich wirkenden strahlenden Siegern bei den langen Siegerehrungen in den vielen Altersklassen.

Zur Info noch: Josef Riedl vom TuS Bad Aibling war mit 91 Jahren der älteste Teilnehmer….

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2022-10-18T05:48:41+02:00
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